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Klaus als Finisher neben dem Streckenverlauf des internationalen Traditionslaufes

Zum fünften Mal in Folge hatte ich am 9. Juni Gelegenheit, an den 100 Kilometern von Biel teilzunehmen. Der Lauf gilt als die Mutter aller Ultramarathons und wurde in diesem Jahr bereits zum 59. (!) Mal ausgetragen, wobei sich die insgesamt rund 4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die diversen Kinder- und Jugendläufe, den 13,5 km langen Nacht-Erlebnislauf, den Halbmarathon, auf verschiedene Paarläufe, Stafetten (Militär und zivil), den 56 km-Ultramarathon und die 100 km-Strecke, die als die Königsdisziplin gilt, verteilen.

Nach den Kinder- und Jugendläufen am Freitagnachmittag gingen dann um 22:00 Uhr die Läuferinnen und Läufer auf ihre verschiedenen Strecken in die “Nacht der Nächte“, dieses Jahr ohne Regen und bei herrlichem Vollmond. Bei den 100 km-Startern waren vorab 1.045 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeldet; gemeinhin geht man hier von einer Finisherquote zwischen 70 % und 80 % aus, d.h. zwischen 20 % und 30 % treten trotz Anmeldung entweder erst gar nicht an oder brechen den Lauf unterwegs ab. Dieses Jahr gab es insgesamt nur 718 „Klassierte“, also 69 % Finisher. Der Zielschluss liegt bei genau 21 Stunden.

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Rein rechnerisch die Hälfte – doch der schwierigste Teil mit der legendären Trailstrecke, dem Emmendamm, und dem letzten Abschnitt in gleißender Sonne liegt noch vor Klaus und seinem Velo-Coach Jürgen

Nicht nur zur mentalen Unterstützung nehmen sich viele Läufer einen sogenannten Velo-Coach mit. Auf meine kurzfristige Anfrage hin hat sich Jürgen Wrona sofort bereit erklärt, den Job zu übernehmen, und es sei klar gesagt: Er hat ihn super bewältigt – ohne seine Hilfe unterwegs hätte ich es wohl kaum geschafft!
Los ging es um 21:30 Uhr mit dem Aufbruch der Radfahrer, d.h. die ersten 20 km mussten die Läufer nach ihrem Start um 22:00 Uhr alleine bewältigen, bevor sie dann in Lyss auf ihre Velo-Coaches trafen. Ab Lyss ging es ca. 35 km gemeinsam durch die Nacht und in den neuen Tag hinein, bevor man auf den 10 km langen Emmendamm, von den Läufern auch Ho-Chi-Minh-Pfad genannt, traf. Da es sich hier um eine teilweise nur 1 m breite reine Trailstrecke mit entsprechendem Untergrund handelt, mussten die Fahrradfahrer um den Emmendamm herumfahren, bevor sie sich wieder mit ihren Läufern treffen konnten.

Am härtesten waren die letzten 35 km ab Gerlafingen. Nachdem in der Nacht angenehme Lauftemperaturen zwischen 12 und 14 Grad geherrscht hatten, stiegen sie am Tag dann in brennender Sonne auf unerbittliche 30 Grad und mehr – und das auf einer Strecke entlang der Aare, die kaum Schatten bot, und nachdem man als Läufer bereits 65 km in den Beinen hatte. Aber schließlich, nach 17 Stunden und 50 Minuten, war es geschafft: In der Gesamtwertung belegte ich Platz 516 von am Ende nur noch 718 gewerteten Läuferinnen und Läufern und in meiner Altersklasse M 65 reichte es bei 28 Klassierten immerhin noch zum 17. Platz. Eingerechnet in die Endzeit sind ausgiebige Massage- und Verpflegungspausen, wobei von den 100 km höchstens 40 km gelaufen wurden – der Rest wurde stramm in einer Pace zwischen 9:00 und 10:00 gewalkt, sodass am Ende eine Gesamtpace von 10:42 herauskam.

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Überglücklich im Ziel – der Wunsch eines jeden Langstreckenläufers ist es, einmal in Biel, dem „Wembley“ des Laufsports, zu finishen

Wer die Möglichkeit hat, einmal an den die Bieler Lauftagen teilzunehmen, egal, auf welcher Streckenlänge, sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Das Streckenprofil entspricht in etwa dem des Taunus und weist gerade einmal 485 Höhenmeter auf, ist also für Schweizer Verhältnisse durchaus als moderat zu bezeichnen, und auch die Zielzeit von 21 Stunden ist recht großzügig bemessen. Das Erlebnis aber, um 22:00 Uhr in die Nacht zu starten, dann erst einige Kilometer unter dem Jubel der begeisterten Zuschauer aus der Bieler-Altstadt heraus in Richtung Aarberg zu laufen, bevor man im Dunklen auf Feld- und Waldwegen in völliger Ruhe und Abgeschiedenheit an den Rändern des Schweizer Jura auf die ersten kleinen Dörfer trifft und unterwegs höchstens mal ein paar Kühe mit ihren Glocken hört, und dann in den stimmungsvollen Tagesanbruch hineinläuft, ist nur schwer zu beschreiben. Dass ein solcher Lauf aber auch wirklich zu einem derartigen Erlebnis wird, ist vor allem auch der perfekten Organisation mit über 1000 (!) freiwilligen Helfern zu verdanken – und natürlich Leuten wie Jürgen, der sich als Begleitung die Nacht um die Ohren geschlagen hat und der unterwegs alles dafür getan hat, „seinen“ Läufer am Ende gut ins Ziel zu bringen.